Wir sind wieder gesund von unserer faszinierenden Chile/Bolivienreise zurück und haben alle den Gipfel des Parinacota (6342 m) erfolgreich bestiegen. Gracias a Pachamama, der wir diese Reise gewidmet haben, unter anderem weil Andy und ich uns vor 24 Jahren in der Atacama Wüste kennen gelernt haben!
Die Göttin Mutter Erde präsentiert im Grenzgebiet Nordchile/Bolivien ihre Naturwunder besonders grosszügig. Wir durften diese grossartigen Landschaften des Andenhochlandes, dem sogenannten Altiplano, bestaunen und einmal mehr Reiserlebnisse "out of the box" geniessen.
Etwas, was für mich mit am eindrücklichsten war, ist die unendliche Weite des Altiplano. Wir fuhren teilweise stundenlang in der Natur, ohne einem anderen Fahrzeug oder einer Menschenseele zu begegnen.
Malerisch sind die Landschaften mit den zauberhaften Farbspielen der gelben Gräser der ausgedehnten Feuchtwiesen und den Braun- und Rottönen der Vulkanlandschaften der Anden, deren höchste Gipfel (viele davon über 6000 m hoch!) mit Schnee überzuckert sind. Immer wieder sieht man weidende Herden von domestizierten Lamas und Alpacas oder wilden Vicuñas. Einmal hatten wir besonderes Glück und konnten uns ganz nahe an ein Rudel Vicuñas heranpirschen, ohne dass diese anmutigen Tiere vor uns die Flucht ergriffen. Ein wunderbares Erlebnis! Zwischendrin leuchten auf dem Andenplateau Lagunen wie grüne und blaue Augen. Hunderte von Flamingos suchen dort ihr Futter. Wir konnten es nicht fassen, dass wir uns ihnen bis auf eine Distanz von 2 Metern nähern konnten!
Ein weiteres fantastisches Naturschauspiel sind die Geysire, die zeigen, wie höllisch aktiv die Erde im Inneren ist. In El Tatio in Chile stossen sie wie Lokomotiven meterhohe Dampfsäulen in den tiefblauen Himmel, während am Morning Sun Geysir in Bolivien vor allem schwefelnde und blubbernde Schlammlöcher zu bestaunen sind.
Die Fahrt über den topfebenen Salar de Uyuni, der knapp ein Drittel der Fläche der Schweiz hat, löste bei uns ebenfalls Hochgefühle von Freiheit aus. Die grösste Salzwüste der Welt erstreckt sich blendend weiss in alle Richtungen, soweit das Auge reicht. Sie besitzt die grössten Reserven der Welt an Mineralien wie Lithium, Magnesium, Kalium, Phosphor und Borax und ist in mehreren Schichten von jeweils ein paar Metern aufgebaut.
Zu unserer Ueberraschung fanden die lokalen Fahrer ein paar offene Stellen in der steinharten weissen Kruste. Aus diesen Wasserlöchern konnten wir ein paar wunderschöne Salzkristalle herauspickeln.
Auf der mitten im Salzsee gelegenen Insel Incahuasi beeindruckten uns die z.T. 1000-jährigen Kandelaberkakteen und an unserem Akklimatisationsberg, dem "Farbigen" Tunupa (5203 m) faszinierten uns nicht nur das farbige Gestein und der gezackte Explosionskrater, sondern auch Mumien wohl aus der Prä-Inkazeit, die in einer Höhle am Fusse des Berges kauern. Wir begegneten auf unserer Reise noch anderen Mumien und sahen im Archäologischen Museum von Arica am Ende unserer Reise sogar die ältesten Mumien der Welt (ca. 8000-jährig), aus der sogenannten Chinchorro-Kultur.
Auf den Andenhochebenen von rund 4000 m Höhe gibt es keine Hotels! Wir übernachteten deshalb durchwegs in einfachen, ungeheizten Gästehäusern oder Schutzhütten, was aus meiner Sicht als Frau bei knapp 10° Raumtemperatur gewöhnungsbedürftig war. Ich fand es nicht gerade gemütlich, die Mahlzeiten "in voller Montur" einzunehmen. Männer können da offenbar besser abstrahieren, aber auch sie haben sich, unter uns gesagt, manchmal in Wolldecken gehüllt...Wie es sich anfühlt, wenn man nur mit Skiunterwäsche bekleidet in der kalten Nacht vor der Hütte steht, weil man versehentlich ausgesperrt wurde, weiss hingegen nur ich...
Aber im Nachhinein hat es sich gelohnt, diese "Mängel an Komfort" auf sich zu nehmen, weil wir hundertfach dafür entschädigt worden sind!
Um den Gipfel des Bilderbuchvulkans Parinacota (6342 m) zu besteigen, sind wir nach nur wenigen Stunden Schlaf noch vor Mitternacht aufgestanden. Nach einem sehr kurzen "Frühstück" fuhren wir in die stockdunkle Nacht hinaus und durch schlafende Lamaherden hindurch, bis die Räder unseres 4x4 Geländewagens im Gemisch von Geröll, Lavaasche und Schnee auf einer Höhe von rund 5000 m durchdrehten. Im Schein unserer Stirnlampen suchten wir hinter unseren lokalen Bergführern den Weg im unteren Teil des riesigen Vulkankegels. Stundenlang war vom Gipfel keine Spur zu sehen! Weil es zunehmend kälter und windiger wurde, zog keiner gerne seine Daunenhandschuhe aus. Deshalb vermieden wir überflüssige Pausen und reduzierten das Trinken und Essen auf ein Minimum.
Auf ca. 5600 m montierten wir unsere Steigeisen, weil die Schneedecke an der 35% steilen Ostflanke zusehends kompakter wurde. Zum Glück halfen uns dabei unsere Bergführer Eric und Roberto...Kurz nach 6 Uhr ging die Sonne auf, ein psychologisch enorm wichtiger Moment! Der Gipfel ist zwar noch weit, aber jetzt kann man wenigstens das Ziel sehen und realisiert, dass man doch schon Einiges an Höhe gewonnen hat. Aufkommende Kopfschmerzen konnte ich mental ausblenden. Man gibt noch einmal alles, auch wenn ab 6000 m wegen der dünnen Luft (Sauerstoffsättigung noch ca. 47%) die Kräfte gewaltig schwinden. Schritt für Schritt tastet man sich trotzdem langsam höher und steht irgendwann nach Atem ringend auf dem Gipfel! Temperatur: gefühlte minus 20°.
"Nie wieder!", sagte ich mir beim Abstieg. Aber schon ein paar Tage später habe ich alle Mühen vergessen. Jetzt freue ich mich bereits auf unseren nächsten 6000-er im September 2013 in Ladakh!
Grenzerfahrungen machten wir aber nicht nur am Parinacota. Auch bei unseren zahlreichen Grenzübertritten zwischen Chile und Bolivien kam es zu "Grenzüberschreitungen".
Auf jeden Fall weiss ich jetzt, dass ein vergessener Apfel im Handgepäck bei der Einreise nach Chile grössere Probleme bereiten und zu langen Wartezeiten führen kann...
Und bei gewissen bolivianischen Grenzbeamten ist die Schuld im Falle eines fehlenden Ausreisestempels grundsätzlich immer beim Touristen zu suchen, damit man sich auf diese Art eine willkommene Lohnaufbesserung gewähren kann...
Ansonsten lief auf dieser Reise für südamerikanische Verhältnisse alles ziemlich glatt. Dennoch sind wir uns einig, dass wir bei einer nächsten Südamerikareise auf komplizierte Grenzübertritte verzichten werden.